Abstimmungs-Farce in Liechtenstein

PRESSEMITTEILUNG der Demokratiebewegung in Liechtenstein

 

 

Eine Machtdemonstration

Die Ankündigung des Erbprinzen, ein Volks-JA zur Initiative „Hilfe statt Strafe“ nicht zu sanktionieren, hat in einer Weise die Diskussion im Land beeinflusst, die nicht akzeptierbar ist.

 

Damit eines klar ist: Er kann laut geltender Verfassung von 2003 ein Gesetz sanktionieren oder nicht – auch wenn das Volk JA sagt. Solchem Tun hat das Volk 2003 explizit zugestimmt. Weil dies zutiefst undemokratisch ist, hat die Demokratiebewegung bereits damals dieser Verfassung 2003 nicht zugestimmt.

 

Anzukündigen, dass er ein Volks-JA nicht akzeptieren und ein solches Gesetz nicht sanktionieren werde, ist eine andere Bühne. Mit einer solch unnötigen Ankündigung wird jede Diskussion, jede Entscheidung beeinflusst. Man braucht sich nur im Facebook umzuschauen, um zu wissen, wie verunsichert auf diese Ankündigung reagiert wird. Eine solche Ankündigung hält die Demokratiebewegung für nicht legitim. Dass sich der Erbprinz zusätzlich noch einseitig in der Sachfrage äussert, macht diese Abstimmung zur Farce.

 

Dem Fürstenhaus war klar, dass eine solche Ankündigung seine Wirkung haben wird. Darüber brauchen wir uns nichts vorzumachen. Es ist doch eigenartig, dass sich der Erbprinz zur Frage des Gegenvorschlags vornehm zurückhält und eine mögliche Sanktion eines solchen Vorschlags offen lässt.

 

Diese Zurückhaltung ist auf jeden Fall angebracht, damit in Sachfragen frei und ohne Beeinflussung abgestimmt werden kann.

 

Vorstand der Demokratiebewegung

 

 

12.09.11

 

Mein Kommentar:

Eigentlich versteht dies alles ja von selbst. Ein (geschäftsführendes) Staatsoberhaupt, das seiner Aufgabe nicht nachkommen kann, die auf demokratischem Wege beschlossenen und verfassungsgemäß zustandegekommenen  Gsetze zu unterzeichnen, müßte eigentlich die Konsequenz ziehen und zurücktreten. Daß die Verfassungsänderung von 2003 dem Fürsten bzw. Erbprinzen das Recht, die Unterschrift zu verweigern, explizit zubilligt, ist eine unschöne Tatsache, die sich das Liechtensteiner Abstimmungsvolk selbst zuzuschreiben hat. “Erfolgt die Sustimmung des Landesfürsten nicht innerhalb von sechs Monaten, dann gilt sie als verweigert”, heißt es in Art. 65 der geänderten Landesverfassung zur Gesetzgebung. Das Fürstenhaus argumentierte damals, die Neuformulierung diene lediglich der Präzisierung, denn selbstverständlich könne der Fürst auch so seine Unterschrift verweigern.

Das ist gar nicht so falsch. Entscheidend ist, wie vom Europarat, der damals über Liechtenstein angesichts der Verfassungsänderung beinahe ein Monitoringverfahren verhängt hätte, letztlich die Verfassungspraxis. Denn auch in anderen eropäischen Monarchien zwingt kein Passus eines Verfassungstextes den Monarchen, seine Unterschrift zu leisten. Daß er dennoch unterschreibt, hängt schlicht damit zuammen, daß sich die europäischen Monarchien selbstverständlich als Demokratien begreifen. In Großbritannien etwa nennt man solche ungeschriebenen Verfassungspflichten “constitutional conventions”. Jedem in Großbritannien ist klar, daß die Königin ihren Platz räumen müßte, würde sie einem ordentlich zustandegekommenen Gesetz ihre Unterschrift verweigern.

In Belgien erklärte sich der sehr religiöse, katholische König Balduin I. 1990 für außerstande, ein Gesetz zur legalen Schwangerschaftsunterbrechung zu unterzeichnen. Die schwere Verfassungskrise wurde so gelöst, daß das Parlament den Monarchen am 4. April für einen Tag für regierungsunfähig erklärte. In seinem solchen Fall sieht die belgische Verfassung vor, daß die Regierung die Funktion des Staatsoberhauptes übernehmen kann. Nachdem sämtliche Regierungsmitglieder das Gesetz unterschrieben hatten, kehrte der König am 5. April an seinen Arbeitsplat zurück. So konnten alle Beteiligten ihr Gesicht wahren.

Die Parallele zur Situation in Liechtenstein ist offensichtlich. Die Unterschiede sind es aber auch. Die Art und Weise, wie Erbprinz Alois im Vorfeld der Abstimmung Druck auf die Öffentlichkeit ausgeübt hat, ist unerträglich. Seine Weigerung vorab, das Gesetz zur Fristenlösung in der von der Initiative “Hilfe statt Strafe” vorgelegten Form zu unterschreiben, kommt der De-fact-Abschaffung der Demokratie in Liechtenstein recht nahe. Auch wenn die Abstimmung so ausfällt, daß der Erbprinz gar nicht in die Verlegenheit käme, ist der Schaden für die Demokratie dennoch derselbe. Man könnte von einem Staatsstreich von oben sprechen. Art. 2 der liechtensteinischen Landesverfassung definiert das Fürstentum Liechtenstein übrigens als “konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage”. Werden die demokratischen Mechanismen mit Berufung auf Art. 65 ignoriert, ist dies verfassungsmäßig durchaus problematisch.
Dazu kommt, daß an der religiös-moralischen Prinzipienfestigkeit des eine Liberalisierung der Abtreibung ablehnenden, katholischen Erbprinzen gezweifelt werden muß, wenn er die Möglichkeit signalisiert, dem karnevalesken “Kompromißvorschlag” von VU und FBP zuzustimmen, demzufolge im Ausland vorgenommene Abtreibungen sehr wohl legalisiert werden könnten.

About arnohorb

Arno Loeffler was born in Horb am Neckar, Baden-Wuerttemberg, Germany, 18/10/1966. He studied History and Art History at FU Berlin and graduated in early 2000.
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